Donnerstag, 6. August 2015

Warum singen gut tut

Das Singen ist "tönender Atem". Es ist vor der Sprache entstanden. Gemeinsames Singen ist in allen archaischen Kulturen des modernen Menschen ein sehr wichtiger Teil des Miteinander einer Menschengruppe. Menschen, die in ihrem Alltag regelmässig singen, sind - so die Forschungsergebnisse des Musikpsychologen Karl Adamek - lebenszufriedener, ausgeglichener und zuversichtlicher. Zudem sind sie laut Adamek psychisch belastbarer, haben ein grösseres Selbstvertrauen und verhalten sich im Durchschnitt sozial verantwortlicher und hilfsbereiter.Welche Auswirkungen das Singen auf die seelische und geistige Gesundheit des Menschen haben kann, davon soll hier die Rede sein.

  • Singen spricht in kaum vergleichbarer Intensität unsere Gefühle an: Was wir hören, wird über den Hörnerv direkt in unser zentrales Nervensystem und zum limbischen System im Stammhirn geleitet. Bevor wir uns eines Geräusches oder Klanges überhaupt bewusst sind, bevor wir mit den beiden Hälften des Grosshirns über Höreindrücke nachdenken und sie beurteilen, hat der Körper bereits reagiert und seine emotionalen und vegetativen Prozesse (z.B. Blutdruck, Herzfrequenz) entsprechend angepasst. Die vegetativen Prozesse lassen sich nicht willentlich steuern. Da die Muskulatur des Kehlkopfes und des Trommelfelles jedoch direkt mit dem "vegetativen Ruhenerv" des Körpers - dem Nervus Vagus - verbunden ist, können wir mit dem Singen von Tönen beruhigend und ausgleichend auf das vegetative Nervensystem einwirken. 
  • Sie werden - über den Hypothalamus - vom limbischen System moduliert.
  • Das limbische System steuert über den Hypothalamus die vegetativen Prozesse sowie die emotional betonten Reaktionen auf Umwelt- und Innenreize.
  • sondern werden massgeblich vom limbischen System moduliert
  • Das limbische System wird auch "emotionales Gehirn" genannt. Es ermöglicht es uns, Sinnesreize blitzschnell zu beurteilen (Bekannt? Angenehm? Bedrohlich?), Gefühle und Emotionen zu empfinden, zu bewerten, zu verarbeiten und mit entsprechenden Taten (Hinwendung, Abwehr, Flucht) und physiologischen Vorgängen (z.B. Hormonausschüttung, Blutdruckänderung) zu beantworten. Das limbische System färbt nicht nur all unsere Wahrnehmungsprozesse emotional ein, sondern speichert auch unsere gesamte Lebenserfahrung - v.a. in Zusammenhang mit Gefühlen und Überlebensreaktionen - ab und ermöglicht uns zu lernen. Aufgrund dieser Erinnerungen ist "vorprogrammiert", wie das limbische System auf bestimmte Reize reagiert. Diese emotionalen "Programme" ermöglichen uns, auf Erfahrung basierend schnell zu reagieren. Wenn sie jedoch veraltet sind und nicht mehr zu unserer aktuellen Lebenssituation passen, geraten wir in Schwierigkeiten. Hier bietet das aktive Musizieren und Singen die Chance, neue emotionale Programme im Gehirn zu bahnen und zu verankern, indem sie entsprechende emotionale und vegetative Prozesse in Gang setzen.
Lernprozesse und Gedächtnis
steuert mit Hypothalamus emotional betonte Reaktionen auf Umwelt- und Innenreize.

Das limbische System ist vor allem für Gefühle und Überlebensreaktionen zuständig. Ein Teil des limbischen Systems – die Mandelkerne (Amygdala) – ist eng verknüpft mit Emotionen und Reaktionen der Angst und spielt eine wesentliche Rolle bei der Speicherung emotionaler Erinnerungen. Die Mandelkerne färben Wahrnehmungsprozesse emotional ein. Je intensiver sie erregt werden (z.B. bei grosser Angst) desto nachhaltiger prägen sich uns Erinnerungen ein. Unser „emotionales Gehirn“ (im Gegensatz zum kognitiven Hirn) ist also gleichzeitig auch ein emotionales Gedächtnis, das unsere gesamte Lebenserfahrung (v.a. in Zusammenhang mit Gefühlen und Überlebensreaktionen) abgespeichert hat. Diese eingeprägten Erinnerungen programmieren die Reaktionen des emotionalen Gehirns vor. Diese Programme ermöglichen es uns, schnell und auf Erfahrung basierend reagieren zu können. Wenn die Programme aber veraltet oder ungenau sind und nicht mehr zu unserer aktuellen Lebenssituation passen, geraten wir in Schwierigkeiten. Um solche alten Programme zu verändern und „Neubahnungen“ im Gehirn zu ermöglichen, sind therapeutisch andere Massnahmen als rein sprachliche Therapien notwendig, denn um neue emotionale Programme zu verankern ist es wichtig, entsprechende emotionale und vegetative Prozesse in Gang zu setzen. Musik und v.a. aktives Musizieren und Singen stehen unmittelbar mit dem emotionalen Gehirn in Verbindung und nehmen direkt Einfluss auf entsprechende emotionale und vegetative Reaktionen. Sprich: Musik und Singen kann die Harmonisierung und Synchronisieren verschiedener neuronaler Netzwerke fördern. > Gleichgewicht im Gehirn (auch zwischen kognitiven und emotionalen Teilen).



Die bisher wichtigste Erkenntnis der musikpsychologischen Hirnforschung ist folgende: Bevor wir Musik bewusst wahrnehmen, sie mit den beiden Hemisphären unseres Großhirns bearbeiten, über sie nachdenken, sie beurteilen, sie genießen oder abstellen, läuft ein total anderes Programm ab, das wir selbst nicht willkürlich steuern können und dessen Wirkung wir, wenn überhaupt, erst viel später im Nachhinein bemerken.

Die von den Sinnesorganen ausgesandten elektrischen Signale werden zuerst in die Region des Limbischen Systems im Bereich des Stammhirns geleitet.

Dieses Nervenzentrum steuert die vegetativen Prozesse, also Atmung, Pulsschlag, Blutdruck, Verdauung, Hormonhaushalt und andere. Des weiteren sind im Limbischen System neuronale Schaltkreise angelegt, die uns das Erleben von Gefühlen ermöglichen, und schließlich ist von dort aus eine direkte Schaltung zu den Zonen des Langzeitgedächtnisses gelegt. Das heißt, der gesamte Mensch wird zuerst in einen veränderten Zustand versetzt und erst danach finden seine Denk- und Beurteilungsoperationen statt.
Das muss so sein, da das Gehör sozusagen das Frühwarnsystem des Menschen darstellt.
Längst hat die Werbebranche diesen Effekt für sich entdeckt. Wenn wir also vom Unterbewusstsein im Zusammenhang mit Manipulation des Menschen vor allem in der Werbung sprechen, so ist das nichts anderes als die Nutzung eines vorgezogenen Mechanismus in unserem Gehirn, der schon vor der Denkphase einsetzt und seine eigenen Entscheidungen fällt.
Musik bewirkt im limbischen System die Ausschüttung bestimmter Botenstoffe (die zusätzlich wiederum die Wahrnehmungsbereitschaft steuern).

die nicht unserem bewussten Tun unterliegen


  • Das limbische System steuert Emotionen und beeinflusst Gedächtnisprozesse und Antrieb.
  • Zudem spielt es eine zentrale Rolle bei der Abspeicherung von Gedächtnisinhalten und ist so an Lernprozessen beteiligt. 
  • Bei der Interaktion zwischen Organismus und Umwelt spielt das limbische System eine wichtige Rolle. Es ist nicht nur für den Lern- und Gedächtnissprozess zuständig, sondern reguliert darüber hinaus die Handlungsbereitschaften und die Verarbeitung der Emotionen eines Menschen

  •    Mit seiner Funktion ist auch die Fähigkeit des Lernens eng verknüpft.
  • Das ermöglicht uns, schnell zu handeln.



 
Musik wirkt direkt über das limbische System, den Hypothalamus und den Hirnstamm auf das vegetative Nervensystem ein. Musik und Singen können in kaum vergleichbarer Weise unser vegetatives Nervensystem harmonisieren (trophotrop und ergotrop). Gesang: Es gibt eine direkte Verbindung zwischen unserer Kehlkopfmuskulatur und dem parasympathischen Vagusnerv, also eine Hotline zum vegetativen Nervensystem (entspannend). Weiterhin beeinflussen die beim Singen beteiligten Vorgänge wie Atmung und Muskeltonus direkt vegetative Prozesse und das Gehirn.
  • Emotionales Gehirn / Musical Brain


  • Singen hilft uns dabei, die eigenen Gefühle wahrzunehmen, zu regulieren und zu bewältigen: Im Alltag werden wir laufend mit Situationen konfrontiert, die unser seelisches Gleichgewicht gefährden (z.B. Konflikte, ein neuer Job, sich verlieben). Jedes Mal, wenn sich unsere Lebensbedingungen verändern, sind wir gefordert, unsere gefühlsmässigen Reaktionen neu auszubalancieren und zu regulieren. Wenn unsere Gefühle nicht in den sozialen Kontext (z.B. Arbeitsplatz) zu passen scheinen, tendieren wir dazu, die "lästigen" Gefühle wegzuschieben. Nicht immer fällt es danach leicht, wieder in Kontakt zu Körper und Gefühlen zu kommen. Singen kann dabei helfen, solche Blockaden zu lösen und wieder Zugang zur eigenen Gefühlswelt zu finden. Wenn Gefühle in Fluss kommen und wir sie wieder deutlicher wahrnehmen, kann ein Regulierungsprozess einsetzen, der im Idealfall in einen kraftvollen inneren Zustand mündet. Viele Menschen – insbesondere Jugendliche – setzen in ihrem Alltag gezielt Lieder ein, um die eigene emotionale Stimmung zu verstärken (z.B. Trauer mit Hilfe des Liedes „Tears in Heaven“) oder um sich in eine andere Stimmung zu versetzen. Manchmal dient das Lied auch als Ventil für aufgestaute Emotionen. Auf diese Weise können wir unser seelisches Gleichgewicht – sozusagen im stillen Kämmerchen – mittels Musik regulieren. Noch kraftvoller wird dieser Wandlungsprozess, wenn wir unser seelisches Erleben mitteilen und mit anderen Menschen teilen können, wie dies in den älteren Traditionen (beim gemeinsamen Singen von Volksliedern) oder in anderen Kulturen (z.B. Fado, Blues, Flamenco) geschieht. Dabei werden wir gelassener, wie die musikpsychologischen Forschungsergebnisse von Karl Adamek (1996) zeigen: Menschen, die regelmässig singen, sind wesentlich ausgeglichener, sie können besser mit Spannungs- und Konfliktsituationen umgehen und sie finden auch wieder leichter zurück zu einem emotionalen Gleichgewicht.

  • Singen hellt die Stimmung auf: Wie im Artikel "Warum singen gesund ist" nachzulesen ist, werden Menschen beim Singen hormonell und neuronal in eine gehobene Stimmung versetzt, in der Angst und Schmerz in den Hintergrund treten und sich ein Gefühl von Optimismus und Tatkraft ausbreiten kann. Die stimmungsaufhellende Wirkung des Singens kann ich regelmässig an den sich aufhellenden und entspannenden Gesichtern der Personen ablesen, die an meinen musiktherapeutischen Gruppenangeboten in der Sozialpsychiatrie teilnehmen. Meine Beobachtungen decken sich mit den Äusserungen meiner Klient/innen, wonach sie beim Singen wieder vermehrt mit sich selbst und ihrer Lebenskraft in Kontakt kommen. Dies macht Mut ... insbesondere, wenn man in der "Eiszeit" einer Depression nur noch innerliche "Leere" und kaum mehr Gefühle empfindet. Das (gemeinsame) Singen kann zudem dabei helfen, Erlebnisse mitzuteilen, die uns so tief berühren, dass sie nur mühsam in Worte zu fassen sind. Verdrängte Gefühle können so wieder ins Fliessen kommen - ein wichtiger Schritt aus einer Depression heraus. Durch das Teilen solcher Erfahrungen - zunächst in Form von Liedern - kann allmählich ein Gespräch in Gang kommen.

  • Singen ermöglicht Flow-Erfahrungen: Das "Gedankenkarussell" der Alltagssorgen abschalten und ganz im Hier und Jetzt präsent sein zu können, ist den meisten meiner Klient/innen ein grosses Anliegen. Besonders das Singen einfacher Lieder ohne Noten führt zu einer Verlangsamung der Atmung und kann eine Entspannungsreaktion auslösen, bei der sich die Gehirnwellen verlangsamen und der - für Erholung und Aufbau körpereigener Reserven zuständige - Parasympathikus in Aktion tritt. Der Strom der Alltagsgedanken wird dadurch unterbrochen. Die Singen­den kommen in „flow“, erleben ein stresslösendes Sich-Selbst-Vergessen und Aufgehen in der Handlung. In diesem Zustand des Fliessen verringert sich innerpsychisches Chaos und Freude und Zufriedenheit stellen sich ein. Im Flow-Zustand schwingen wir optimal mit der Umwelt zusammen und erfahren "gelingende" zwischenmenschliche Interaktionen. Der veränderte Bewusstseinszustand ermöglicht den Zugang zu kreativen Denkprozessen. Dies fördert die kognitiven und kreativen Kompetenzen.
 
  • Singen eröffnet neue Zugänge zum eigenen Körper, zu Kraft und Lebendigkeit (Atem, Haltung, Stimme, Tonus) > eigenen Körper und dessen Lebenskraft wahrnehmen und wertschätzen können, Eigenstimulation, Spannungsabfuhr, Mobilisierung von körperlichen Kraftreserven, Angstbewältigung, Beruhigung, aber auch mit den eigenen Energien haushalten, eigene Impulse und Bedürfnisse wahrnehmen und die eigenen Grenzen wahren können.
 Singen ist "tönender Atem". > Verbindung mit universeller Lebensenergie.
Psychisch beeinträchtige Personen, die im Rahmen der PSAG die Musiktherapie und Singkurse be­sucht haben, betonen immer wieder, wie das Singen ihnen dabei hilft, die Lebenskraft im eigenen Körper zu spüren.

  • Singen sorgt für Gelassenheit und Konfliktfähigkeit: Geduld und Nachsicht mit sich und anderen haben (Frustrations­toleranz und Gelassenheit).  Wer häufig singt, wird gelassener. Sie lassen sich auch durch viele Ereignisse und Störungen weniger hetzen und bleiben eher geduldig und ruhig, nehmen die Dinge leichter. Sie haben einen grösseren Grad an Selbstbeherrschung, lassen sich weniger leicht verärgern und aufregen > Singen als Strategie der emotionalen Bewältigung (z.B. Dampf ablassen).
  • Singen kann Sicherheit und Orientierung vermitteln und das Erleben von Gemeinsamkeit und Einverständnis vermitteln (Rituale, Wiederholungen). Rituale in Verbindung mit Gesang, Musik und Tanz eignen sich in idealer Weise dazu, soziale und emotionale Prozesse in Gruppen zu steuern und zu strukturieren. > Stimmungen und Gefühle zu regulieren und Spannungen und Konflikte zu besänftigen, um als Gruppe handlungs- und überlebenfähig zu bleiben. > Gesang und stimmliche Vokalisationen dienten dazu, soziale Bindungen zu stärken. Die Entwicklung der Fähigkeit, Emotionen in Ritualen zu steuern, Emotionen in der Gemeinschaft der Gruppe im Ritual einzusetzen, hat die Menschen zu musikalischen Genies gemacht. In den Gesellschaften der Sammlerinnen und Jäger wurden und werden soziale Spannungen und Konflikte eher durch Rituale der Gleichgewichtssuche reguliert. Musik und Gesang nahmen und nehmen dabei eine wichtige Rolle wahr (bei noch existierenden Jäger- und Sammlerkulturen). > rituelle Gesänge, Sängerwettstreit. Beispiel: Bei den Eskimovölkern werden Auseinandersetzungen und Konflikte in einem Sängerwettstreit zwischen den zwei Streitenden geklärt. Sie werden vom Publikum angefeuert, ihre Emotionen zuzulassen und auszudrücken, während das Ritual Schutz und Halt gibt. Klagegesänge als Rituale gemeinschaftlicher Trauerverarbeitung: In vielen Kulturen drück(t)en meist Frauen über die Stimme Gefühle wie Trauer, Schmerz und Verlust aus. Die zuhörenden Männer versuchten die Traurigkeit der Frauen aufzunehmen, um mit ihrem eigenen Schmerz in Kontakt zu kommen. Alte Traditionen und Rituale des Klagens zudem bei Sklaven (Erfahrene Unmenschlichkeit verarbeiten, Erleichterung, Menschenwürde), "Keening" im irische-schottischen Raum, Verabschiedung der Braut in der "Henna-Nacht" (Türkei). Die Formen vokaler Klagegesänge ähneln sich weltweit. Meist pflegen Frauen diese Tradition. Auch im KZ haben Häftlinge gesungen und Musik gemacht. Dies "hat die Bande des einzelnen an das Leben und an die Gemeinschaft gestärkt, sie hat Kräfte stimuliert, die zum Überleben unverzichtbar sind." > Trost, Ermutigung, Protest und Widerstand. Gemeinsam Bewältigung von Trauer und Leid.
  • Singen fördert soziale Begegnungen und schafft zwischenmenschliche (soziale) Verbundenheit: auch in isolierender Krankheit in Kontakt kommen, sich als Teil einer Gruppe erleben, Soziale Kontakte knüpfen und gestalten können, Gemeinschaftserleben. Singen kann eine sehr wirkungsvolle Form sein, tiefe Verbundenheit mit anderen Menschen zu erleben. Erfüllte soziale Beziehungen haben tiefgreifende Auswirkungen auf unsere Gesundheit. > heilende Kraft des Singens. Fördert Gemeinschaftsfähigkeit. > mehr Toleranz etc. Auch bei Randgruppen der Gesellschaft kann regelmässiges Singen dazu beitragen, Einsamkeit und Isolation zu überwinden und soziale Kompetenzen zu entwickeln. Bsp. Homeless-Choir in Montreal. Das Erleben von sozialer Zugehörigkeit und Erfüllung kann sehr heilend sein.
Psychisch beeinträchtige Personen, die im Rahmen der PSAG die Musiktherapie und Singkurse be­sucht haben, betonen immer wieder, wie das Singen ihnen dabei hilft, sich mit anderen Menschen zu verbinden.
 
 Forschungen der Endokrinolo­gie haben zudem gezeigt, dass der Gehalt des „Liebeshormons“ Oxytocin im Blut bereits nach 20 bis 30 Minuten des Singens markant erhöht ist. Oxytocin verstärkt – z.B. beim Gebären, Stillen oder Sex – die Bindung zwischen Menschen, indem es eine Atmosphäre von Liebe, Verbundenheit und Vertrauen entfacht.
Singen schafft die chemisch-hormonelle Basis zur Stärkung von Liebe, Fürsorge und sozialer Verbundenheit zwischen Menschen. Da Singen in hohem Masse glücklich stimmt, verstärken sich in sozialen Gruppen solche positiv getönten Erlebnisse und verankern sich tief im emotionalen Gedächtnis, was die soziale Bande einer Gruppe weiterhin zusammenschweisst. Untersuchungen haben gezeigt, dass in Schulklassen, in denen vermehrt gesungen und musiziert wird, die gegenseitige Akzeptanz steigt und dass Ablehnungserfahrungen und Ausgrenzungen rapide abnehmen. > Gewaltprävention, Teamfähigkeit
Singen fördert die Hilfsbereitschaft und soziales Engagement von Menschen für die Nöte und Bedürfnisse der Mitglieder ihrer sozialen Gruppen.

  • Gemeinsames Singen fördert die Fähigkeit zur Empathie und ermöglicht die Erfahrung von Beziehungsregulation:  sich im Zusammenklang auf andere Personen einschwingen und sich dabei flexibel an andere anpassen können,   sich in andere Personen hineinversetzen und mitschwingen können, Perspektivenwechsel, sich einfühlen, Mitgefühl, Empathie, Affektabstimmung, frühe Dialoge (Befindlichkeitsregulation, Bindungserfahrungen), Nähe und Distanz regulieren, sich flexibel anpassen können (an andere, an die Entwicklung des Spiels), im Team kooperieren können, Einschwingungs- und Synchronisationsphänomene  
Wie neuere Forschungen zeigen, können Säuglinge ihre Befindlichkeit (körperlich und emotional) durch Vokalisationen gut mitteilen und die Eltern sind intuitiv in der Lage, die Signale zu verstehen und zu interpretieren. Darüber hinaus reagieren Eltern mit eigenen Vokalisationen und es entsteht dabei ein inniger Austauschprozess. Diese präverbale Kommunikation zwischen Kind und seinen Bezugspersonen nennt man "Ammensprache" oder "Baby talk". Dieser frühe Dialog kann als eine Form von Musik betrachtet werden und gleicht einem einfühlsamen Duett zweier improvisierender Musiker. Das Gelingen dieses frühen Dialogs zwischen Mutter/Vater und Kind trägt wesentlich zur Ausbildung und Entwicklung der Persönlichkeit und zur Regulation von Emotionen und Affekten beim Kind bei (Affektabstimmung). Dieser Dialog ist nonverbal, musikalisch, findet lange vor dem Spracherwerb statt und er trägt - wenn er gelingt - massgeblich zur Entwicklung seelischer Gesundheit und sozialer Kompetenz in dem heranreifenden Kind bei. Dieser Dialog kann auch entgleisen, was in der späteren Entwicklung zu gravierenden Auswirkungen führen und die Kommunikationsfähigkeit des Menschen erheblich einschränken kann.

Bereits Neugeborene verfügen über die überlebenswichtige Kompetenz, sich emotional und affektiv durch Anpassung von stimmlichem Timbre, Tempo, Kontur und Melodie auf die Mutter oder den Vater einzuschwingen. Diese angeborenen Kompetenzen bei Babys und ihren erwachsenen Bezugspersonen untermauern die grosse soziale Bedeutung der vorsprachlichen Kommunikation, die quasi weitgehend ein musikalisches Singsang-Duett ist (Ammensprache, "Baby talk") und einer wechselseitigen Feinabstimmung und Choreografie entspricht. Die Wissenschaftlerin Ellen Dissanayake vermutet in diesen fürsorglichen "Bindungsduetten" zwischen Müttern und Babys den Ursprung der Musik. Ebenfalls für diese Hypothese spricht, dass Wiegenlieder in allen Weltkulturen eine grosse Ähnlichkeit in ihren Grundstrukturen aufweisen, also offenbar genetisch im Menschen verankert sind.

Auch bei den Wiegenliedern geht es um eine Affektabstimmung. In den Wiegenliedern vermitteln wir unseren Kindern Emotionen von Liebe, Fürsorge, Trost und Sicherheit und unterstützen sie damit beim Einschlafen (beruhigend).

Im Flow-Zustand schwingen wir optimal mit der Umwelt zusammen und erfahren "gelingende" zwischenmenschliche Interaktionen. > Synchronisation

Bei bestimmten Erkrankungen (z.B. Depression) ist die seelische Schwingungsfähigkeit eingeschränkt.

  • Singen hilft sprachliche, ethnische und ideologische Barrieren zu überwinden
  • Singen hilft bei der Arbeit: In Afrika gibt es Gesangspraktiken, bei denen spezielle Musiker den Arbeitenden Kraft zusingen und die Arbeitsprozesse gesanglich unterstützen. Weitere Beispiele: Arbeitsgesänge der Sklaven Nordamerikas, Seemannslieder, etc. > Der Rhythmus diente dazu, die Aktivität anzukurbeln und die Arbeitsabläufe zu synchronisieren. > Synchronisierung und synergetische Abstimmung gemeinschaftlichen Arbeitens, Schaffung einer positiven Stimmung, Leistungssteigerung.
  • Singen weckt Erinnerungen und ermöglich Zugang zu den eigenen Ressourcen: z.B. Demenz. Viele bedeutungsvolle Ereignisse und Erinnerungen im Leben sind mit Musikerfahrungen verknüpft. So können verschüttete Ressourcen, aber auch verdrängte Gefühle und Erlebnisse, wieder ans Tageslicht geholt werden und im therapeutischen Kontext bearbeitet werden.
  • Singen fördert das Selbstwertgefühl und das Selbstbewusstsein: sich was trauen, sich zeigen können und Resonanz erhalten, Antwort bekommen, Gemeintsein, Neues ausprobieren können, Selbstwirksamkeit erleben beim Improvisieren, standhalten im mehrstimmigen Gesang, die eigenen Fähigkeiten, Schwächen, Ängste und Potenziale erkennen können. Wir als soziale Wesen erleben unseren Selbstwert in hohem Masse in Verbindung und durch den Austausch mit anderen Menschen. Psychisch beeinträchtige Personen, die im Rahmen der PSAG die Musiktherapie und Singkurse be­sucht haben, betonen immer wieder, wie das Singen ihnen dabei hilft, die Lebenskraft im eigenen Körper zu spüren, sich mit anderen Menschen zu verbinden, Zuversicht zu schöpfen und ihr Selbstbewusstsein zu stärken. 
  • Singen stiftet Identität: Per-sonare, Singen kann unsere Persönlichkeit durchscheinen lassen (Identität), Stimme ist „lauthafte Biographie“, Persönlichkeitsentfaltung. Unsere Stimme ist unverwechselbar wie ein Fingerabdruck in ihrem Frequenzspektrum. In diesem Frequenzspektrum finden sich nicht nur die typischen individuellen Muster, sondern auch die aktuelle emotionale Verfassung spiegelt sich darin wieder.
  • Singen hilft bei der Bewältigung von Krankheiten und Krisen:singen gegen Schmerz und Angst, Bsp. Kinder, Singen kann von Schmerz und krankheitsbedingten Symptomen ablenken, Heilgesänge, beruhigen, tiefe Trauer in neue Lebenskraft wandeln. Oft richten Leute die Aufmerksamkeit weniger auf Symptome und Krankheiten, solange sie mit anderen Menschen zusammen sind. Singen für Frühgeborene.
  • Singen eröffnet den Zugang zu veränderten Bewusstseinszuständen und Transzendenz: spirituelle Traditionen, Heilungsrituale, Singen um in Trance zu kommen, Singen kann Brücken bauen zwischen Bewusstseinswelten (verbal, nonverbal) . Singen ist "tönender Atem". Der Atem wird in spirituellen Traditionen in Verbindung mit der "universellen Lebensenergie" gebracht (z.B. "Chi" in der chinesischen Medizin). Der Atem kann also eine Verbindung zu dieser heilenden Lebensenergie herstellen. Daher entwickelten bereits im Altertum verschiedene Kulturen (Ägypten, China, Tibet, Japan) Atemlehren, um die Gesundheit zu verbessern oder die spirituelle Entwicklung zu fördern.
Das Singen (in Verbindung mit Trommeln und Tanzen) dient dazu, die schamanische Trance zu induzieren oder heilende Wirkungen hervorzurufen. Das Singen hilft dem Schamanen in die anderen Wirklichkeiten zu reisen, um mit spirituellen Wesenheiten zu kommunizieren und mehr über die Krankheit des Patienten und die nötigen Heilmethoden zu erfahren. Der Gesang wird aber auch direkt zur Heilung eingesetzt. Dabei wird die Vibrationsenergie der menschlichen Stimme auf den Körper des Kranken gerichtet. In vielen Formen des Schamanismus gibt es besondere Gesänge für spezielle Krankheiten oder Aufgaben. Bei den Naturvölkern versetzt sich nicht der Medizinmann in Trance, sondern der Patient wird oft unter Mithilfe aller Beteiligten mittels Gesang und Musik in einen Trancezustand versetzt und/oder ganze Gruppen treten quasi kollektiv in veränderte Bewusstseinszustände ein wie bei den Trancekulturen (Santeria, Voodoo, Candomble). In den frühen Weltkulturen vorchristlicher Zeit nahmen Frauen die Stellung einer Heilerin, Seherin, Schamanin und Zauberin ein. Mit der Entstehung des Patriarchats und besonders mit dem Aufkommen des Christentums wurde den Frauen zunehmend Rede- und Gesangsverbot erteilt. Mit der Hexenverfolgung und durch die Inquisition wurden die letzten Reste des noch existierenden Wissens um Heilung, Gesang und Zauberei der Frauen endgültig ausgerotttet. Während im Schamanismus und bei den alten Sängerinnen/Heilerinnen der Gesang noch untrennbar mit Heilung und Spiritualität verknüpft war, zerfiel diese ganzheitliche Verbindung immer mehr. Der Gesang verwandelte sich vom Kultgesang zum Kunstgesang.

Der veränderte Bewusstseinszustand ermöglicht den Zugang zu kreativen Denkprozessen.

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